Ein spannender Jugendkrimi von Antje Hansen
Vier Jugendliche und eine prominente römische Ex-Kaiserin
Sie lösen jeden Fall. Einbruch, Diebstahl, Pressefreiheit, Fake News.
Der erste Fall für das Team von Agrippina-News
beamen war gestern
Die vier jungen Redakteure können nicht fassen, was an der Kölner Agrippina-Gesamtschule kurz vor den Sommerferien passiert: Einbruch, Raub und die Sabotage an der ersten Ausgabe ihrer Schülerzeitung.
Schlimm genug, dass Modelmama Heidi Klum in den Artikel über Kölns Stadtgründerin montiert und Schulleiter Kaiser mit Piratenbärtchen und Warze verziert wurden. - Aber wer hat die unbezahlbare antike Agrippina-Büste gegen eine Kopie vertauscht?
Und als unvermutet eine fremde Frau in der Redaktion auftaucht, zweifeln David, Heidi, Marie und Rufus endgültig an ihrem Verstand. Sie ahnen nicht, welch mysteriöse und gefährliche Ereignisse ihnen bevorstehen …
Die News wird aus dem Verkehr gezogen
I
Dienstag, 8. Juli
Vormittags in der Schule:
„Ich reiß ihr den Kopf ab!“
Die Redaktionstür steht sperrangelweit offen, und ein Papierflieger saust mir vor die Füße.
„Wem?“, frage ich und betrete noch relativ gut gelaunt das Redaktionsbüro.
„Dämliche Frage! Marie, dieser blöden Schnecke!“ Mit der Faust schlägt der Rote auf ein druckfrisches News4U-Exemplar und faucht: „Wir können den Laden hier zumachen!“
Rufus‘ Pulverkopf ist legendär, deswegen denke ich mir nichts weiter bei seinem Ausbruch und erwidere bloß lapidar: „Komm mal wieder runter.“
Unbeeindruckt hebe ich den Flieger auf, knülle ihn zu einer Kugel und werfe ihn in den hässlichen grünen Glasamphoren-Schirmständer-Mülleimer, der unter dem einzigen Fenster in unserem Kellerbüro steht.
Treffer. Versenkt. Gekonnt ist gekonnt.
„Erzähl! Was ist passiert?“
„Das hier!“ Der Rote schleudert die Zeitung auf den Tisch. „Seite fünf! Maries Bericht und das Interview mit unserem Schulleiter über die Agrippina-Büste, die im Foyer steht.“ Verzweifelt strubbelt er durch seine Haare. „Seit heute im Verkauf am Kiosk.“
„Weiß ich. – Und? Was ist mit dem Kaiser und der ollen Giftmischerin?“
„Und, und …! Hast du schon reingeschaut?“
„Nö. Warum? Ich weiß doch was drinsteht.“
„Ach, ja? Das sollte mich schwer wundern!“ Rufus‘ Augen sprühen wütende Funken, als er die Zeitung aufschlägt und auf das Interview tippt. Er knurrt: „Dann schau mal genau hin! Kannst du dir vorstellen, was passiert, wenn der Kaiser sein Bild – aufgehübscht mit Piratenbärtchen, Augenklappe und Warze – zu Gesicht bekommt? Einen Tag vor der Zeugniskonferenz? Und der Text sieht aus, als wäre er durch die Zensur des Bundes-Nachrichten-Dienstes gegangen. Wenn die Bombe hochgeht, werden wir alle Hände voll zu tun haben, um unsere Hintern aus der Schusslinie zu bringen. Und daneben …“
Ich werfe einen Blick auf das Foto und pruste: „Modelmama Heidi Klum? Sehr kreativ, Rufus. Aber …“
„Du hast es nicht kapiert, David! Das kann bloß einer von Maries dummen Witzen sein und …“ Rufus‘ Wut verebbt abrupt. Stattdessen blinzelt er eine Träne aus dem Augenwinkel. „Die News wird seit heute Morgen so verkauft! Frau Obermaier hat mich vorhin auf der Treppe abgefangen, um mir den Kopf zu waschen.“
„Echt jetzt? Scheiße! Marie tickt doch nicht ganz sauber!“ Mir vergeht das Lachen.
„Du sagst es! Als wir die News gestern Nachmittag in der Druckerei abgeholt haben, hätten wir lieber einen Blick hineinwerfen sollen, statt ins Freibad zu gehen“, stellt der Rote fest.
Ich werde blass um die Nase. „Die Zeitungen aus dem Kiosk, hast du die …?“
„Sofort einkassiert? Na klar! Ich bin doch nicht lebensmüde! Direkt nach dem Anschiss von der Obermaier habe ich sie in meinem Schließfach deponiert. Aber ich habe keine Ahnung, wieviel Exemplare schon im Umlauf sind. Hoffentlich war ich schnell genug.“
Der Schulgong beendet unser unerfreuliches Gespräch. Niedergeschlagen schleichen wir zurück in unsere Klassenräume.
In den nächsten beiden Schulstunden sitze ich wie auf heißen Kohlen. Wenigstens ist an der Agrippina dienstags um ein Uhr Schulschluss. Als es endlich klingelt, würge ich das Geplauder meiner Tischnachbarin ab, stopfe Federmäppchen und Hefte in den Rucksack und sprinte zu den Fahrradständern. Ich habe nicht die geringste Lust von einem der Lehrer abgefangen und gegebenenfalls zur Rechenschaft gezogen zu werden. Zumindest nicht, bevor die Themen Piratenbärtchen und Modelmama mit Marie geklärt sind.
Ähnliches muss dem Roten durch den Kopf gegangen sein, denn er sitzt bereits auf dem Sattel seines Mountainbikes und will losfahren.
„He, Rufus! Warte!“
Der Rote dreht sich zu mir um, blickt aber an mir vorbei. Seine Gesichtszüge verzerren sich zu einer grimmigen Maske. „Na, die kann was erleben. Aus der mache ich Hackfleisch“, zischt er und lässt sein Rad achtlos zu Boden fallen. Mit einem Satz schnellt er Marie und Heidi entgegen, die, in ein Gespräch vertieft, soeben das Schulgebäude verlassen und auf uns zukommen.
„Hi Rufus und David! Sagt mal, was ist mit der News passiert?“, fragt Heidi, als sie uns bemerkt. „Sollte heute nicht der Verkauf starten?“ Sie stülpt ihren Fahrradhelm über die Haare. Dann hält sie inne und mustert den Roten, der sich grollend vor den Mädchen aufbaut. „Wie siehst du denn aus?“
„Ist in der Druckerei etwas schiefgegangen?“, erkundigt sich Marie, während sie ihren Fahrradschlüssel aus der Hosentasche fingert.
Hallo? Wie mies ist das denn?
Der Rote mutiert von einer harmlosen Silvesterrakete zur Supernova. Mit krebsrotem Kopf spuckt er den beiden die Worte: „Geht’s noch?“, entgegen. „Schiefgegangen? Wollt ihr uns verarschen?“
Wutentbrannt hält er ihnen das zerknüllte News4U-Exemplar unter die Nase, dabei wechselt seine Gesichtsfarbe in ein ungesund aussehendes grünstichiges Weiß. Mit leiser, vor Wut vibrierender Stimme bringt er die Anschuldigungen gegen Marie vor und zum Ende seiner Attacke schleudert er Heidi entgegen: „Und ich wette, dass du dabei mitgemacht hast!“
Da ich die ganze Zeit unmittelbar hinter Rufus stehe und ihn um einen Kopf überrage, habe ich volle Sicht auf Marie und Heidi und mache mir meine eigenen Gedanken: Irgendetwas stimmt hier nicht. Die Schülerzeitung ist unser gemeinsames Projekt, in das wir ziemlich viel freie Zeit investieren, und die Mädchen sind ebenso leidenschaftliche Reporterinnen wir der Rote und ich. Setzen sie wirklich für einen albernen Scherz das ganze Zeitungsunternehmen aufs Spiel? Außerdem sehen sie nicht schuldbewusst aus; eher überrumpelt und ratlos.
„Warte mal!“, unterbreche ich den Roten und tippe ihm vorsichtig auf die Schulter.
„Was?“, faucht er.
Ich wische mir einige seiner Spucketröpfchen von der Backe und deute kopfschüttelnd auf die Mädchen. „Das siehst du doch: Marie und Heidi wissen von nichts. Sie waren es nicht.“
„Natürlich waren wir das nicht!“, zischt Marie, nun ihrerseits ziemlich sauer.
„Wie kommt ihr überhaupt auf so eine hirnverbrannte Idee?“, fragt Heidi. „Ich fasse es nicht! Wir ruinieren doch nicht die Arbeit von Wochen, nur um uns einen Spaß mit dem Kaiser zu erlauben. Er ist zwar nicht der große Sympathieträger, aber seit er uns mit dem Redaktionsbüro geholfen hat, steht er unter Naturschutz. Außerdem, wenn du weiter so einen Aufstand machst, Rufus, kannst du den Artikel gleich ans schwarze Brett nageln. Halt endlich die Klappe! Du hast schon genug Aufsehen erregt.“
„Okay Leute. Das war’s. So kommen wir nicht weiter. Wir besprechen das später in Ruhe und treffen uns heute Nachmittag bei mir zur Redaktionssitzung. Passt euch vier Uhr?“, frage ich.
Mit den Worten: „Weitergehen Herrschaften, die Vorstellung ist vorbei!“, verscheucht Rufus eine Traube Fünftklässler, die interessiert unserem Streit gelauscht haben und sich die Hälse verrenken, um einen Blick in die Zeitung zu werfen.
Schweigend schwingen wir uns auf die Räder und fahren gemeinsam das Sträßchen hinter der Schule entlang. Mein Schulweg ist der Kürzeste, denn ich wohne in einem Fachwerkhaus am Ende dieses Weges, zwischen einem kleinen Auwäldchen und einer Pferdekoppel. Luftlinie 672 Meter von der Haustür bis ins Klassenzimmer der 7c; habe ich mal in einer Anwandlung von Pingeligkeit ausgemessen. Der Rote, Heidi und Marie haben einen längeren Schulweg. Sie radeln bis zum Bayentalgürtel, wo Rufus in einer eleganten Jugendstil-Villa wohnt. Dort trennen sie sich. Maries Heimweg führt durch den Rheinauhafen in die Südstadt, und Heidi fährt den Gürtel weiter bis zu einer 70er-Jahre Hochhaussiedlung …
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